Die Sage über
den hellen Falken
(Ein
Wahres Geschehen vom Leben der Urahnen, den Russo-Arischen-Weden. Mündlich in den Familienstämmen
und durch Barden über viele Menschenleben in den Ahnenreihen
überliefert. So nah, wie heute noch möglich
in seinem Ursprung vom russischen Original (Slawisch-Arische-Weden) erfasst und in die
freie germanische Rede übertagen.
Es
war einmal, da lebte
in uralten Zeiten der Bauer Lubomir Wedaslawitsch mit seiner Gattin
Laduschka Mlada Sareslawna in einer Waldsiedelei. Rod
schenkte ihnen neun Söhne und drei Töchter. Lubomir Wedaslawitsch
zog die Söhne auf, lehrte sie den Fleiß und das wahrhaftige Leben.
Stets war bei ihm die jüngste Tochter Nasten'ka, sie nahm alles
auf, all die Worte und Lehren des Faters prägte sie sich ein. Die
älteren Töchter Sabawa und Wesnjana zog die Mutter Mlada Sareslawna
groß und wärmte sie mit großer Fürsorge und Zärtlichkeit. Die
Kinder wurden erwachsen, und die Eltern älter. Die Söhne
heirateten, für jeden fand Lubomir Wedaslawitsch eine schöne Braut
von ruhmhaften uralten Stämmen. Die Söhne ließen sich mit ihren
Familien in den nahe gelegenen Ländereien nieder, wirkten und
schöpften für ihres Stammes Wohl.
So
kam jedoch die Zeit,
von Rod und Makosch
gegeben, da war auch die Gattin des fleißigen Bauern an der Reihe –
Laduschka Mlada Sareslawna ging in die Welt der Ahnen. Mit dem ganzen
Folk gemeinsam wurde für sie die Kroda
und eine ruhmhafte Trisna
gehalten So zog Lubomir Wedaslawitsch
seine Töchter alleine
weiter auf. Alle drei seiner Töchter waren erstaunlich schön und in
ihrer Schönheit gleich, allerdings in der Art doch anders.
Der
alte emsige Bauer
lebte, arbeitete und sorgte sehr für das Wohlergehen seiner Töchter.
Einst wollte er eine alte Witwe auf dem Hof aufnehmen, damit sie den
Haushalt führte. Aber die jüngste Tochter Nasten'ka, sagte dem
Fater: „Lieber Fater, bitte nimm keine Witwe auf, ich werde im Heim
und Hof alles selbst in Ordnung halten und auch so für die
Wirtschaft unseres Familienstammes sorgen.“
Nasten'ka
ward bereits
seit frühen Jahren fleißig. Die älteren Töchter Sabawa und
Wesnjana schwiegen, sie trauerten noch sehr der mütterlichen
Zärtlichkeit nach.
So
begann Nasten'ka an
stelle der Mutter, dass sie Hof und Heim in der Waldsiedelei führte.
Sie war sehr geschickt, alles ging ihr flink von der Hand, und wenn
sie einen Fehler machte, so lernte sie es schnell und auch das gelang
ihr bestens. Der Fater sah dies alles und freute sich, dass Nasten'ka
bei ihm so gut geraten, so emsig und doch sanft in ihrer Art war. Auch
war Nasten'ka sehr schön – eine hübsche Maid und durch
ihre Güte wurde sie noch schöner. Ihre älteren Schwestern waren
auch hübsch, jedoch wollten sie von ihrer Schönheit noch mehr
haben. So gaben sie sich Mühe und färbten sich das Gesicht mit Rot
und Weiß, schmückten sich mit neuen Kleidern, damit sie sich in der
Nachbarssiedelei auf den Maidabenden von ihrer elegantesten Seite
zeigen konnten. Es kam oft vor, dass sich Sabawa und Wesnjana den
ganzen lieben Tag hübsch machten und am Abend immer noch genau so
gleich geblieben waren wie am Morgen. Sie merkten, dass sie so viel
Rot und Weiß gebraucht, ohne dass sie auch nur ein bisschen hübscher
geworden waren, und darum ärgerten sie sich darüber. Nasten'ka ward
gegen Abend müde und dennoch wusste sie genau, dass das Vieh ihr
Futter erhalten hatte, das gesamte Haus aufgeräumt und rein war, das
Abendmahl vorbereitet wurde, Brotteig für den nächsten Tag geknetet
war und sie somit dem Fater grosse Freude machte. So schaute sie die
Schwerster mit ihren zärtlichen Augen an und schwieg. Die älteren
Schwester selber ärgerten sich nun noch mehr. Sie glaubten,
Nasten'ka war schon morgens schön und gegen Abend noch hübscher
geworden – wieso und weswegen war ihnen allerdings schleierhaft.
Einst
musste der Fater
auf den Jahrmarkt fahren. So fragte er seine Töchter:
„Was
soll ich euch,
liebe Töchterchen, bringen, womit kann ich euch eine Freude machen?“
Die
älteste Tochter,
Sabawa, sagte dem Fater: “Bringe mir, Fäterchen, ein Tuch auf dem
große mit Gold bemalte Blüten sind.“
„Und
für mich,
Fäterchen“, sagte Wesnjana „bringe bitte auch ein Tuch mit Gold
bemalten Blüten, und in mitten der Blüten soll es rot sein. Und
bringe mir noch Stiefelchen mit weichem Schaft, mit hohen Stöckeln,
damit sie schön auf dem Boden klicken und klackern.“
Die
älteste Tochter nahm
dies der Mittleren übel, denn schon die Mutter hatte für sie am
meisten getan, und sagte so noch dem Fater: „Und mir bringe auch
Stiefelchen, mit weichem Schaft, hohen Hacken, damit sie schön auf
dem Boden klackern! Und noch bringe mir einen Ring mit einem Stein
für den Finger - bin ich doch deine einzige älteste Tochter!“
Der
Fater gelobte den
Töchtern, dass er die Geschenke mitbringen würde, die ihm die
beiden älteren Töchter aufgetragen hatten, und fragte seine
Jüngste: „Und du, was schweigst du, Nasten'ka!“
„Was
brauche ich denn
schon, Fäterchen? Ich bleibe auf dem Hofe, wofür also schöne
Kleider?“
„Ist das richtig, Nasten'ka, wie kann ich dich ohne
Geschenk lassen? Dann bringe ich dir doch etwas mit.“
„Ach
Fäterchen spar
dir das“, erwiderte Nasten'ka, „Dann bringe mir, liebes
Fäterchen, die Feder von dem Hellen Falken vom Sternbild Finist,
wenn es sie auf dem Jahrmarkt geben sollte.“
So
fuhr der Fater auf den Jahrmarkt, da fand er für die älteren Töchter
Geschenke, die sie
ihm aufgetragen hatten, jedoch die Feder des Hellen Falken vom
Sternbild Finist fand er nirgends. Alle Kaufleute, die es auf dem
Jahrmarkt gab, hatte er danach befragt.
„So
eine Ware“,
erwiderten die Handelsleute, „dafür gibt es keine Anfrage.“
Dem
Fater tat seine jüngste Tochter, wo sie so emsig und klug war, leid,
und er kam ohne die Feder des Hellen Falken vom Sternbild Finist
wieder heim.
Und Nasten'ka nahm es mit leichtem Herzen.
„Das
ist doch in Ordnung“,
sagte Nasten'ka, „ein anderes Mal fährst du, und dann findet sie
sich, meine Feder.“
Die Zeit floss eine Weile dahin, und der
Fater musste wieder auf den Jahrmarkt fahren. So fragte er seine
Töchter, was er ihnen mitbringen sollte: Er war ein so gutherziger
Mann.
So sagte Sabawa: „Das vorige Mal hast du mir,
Fäterchen, Stiefelchen mitgebracht. So soll jetzt der Schmiedemeister
die Absätze an jenen Stiefelchen mit Silber
beschlagen.“
Wesnjana
hörte die
ältere Schwester reden und sagte dann: „Und für mich, Fäterchen,
auch das gleiche, die Schuhe klirren und klingen kaum, doch sollen
sie klingen, und damit die Nägelchen vom Beschlag feste dran
bleiben, bringe mir noch das silberne Hämmerchen, dann kann ich
lockere Nägelchen selber festschlagen.“
„Und
für dich, Nasten'ka,
was soll ich dir mitbringen?“
„Schau doch, Fäterchen, ob es
die Feder des Hellen Falken vom Sternbild Finist gibt.“
So
fuhr Lubomir
Wedaslawitsch auf den Markt. Seine Angelegenheiten hatte er rasch
erledigt und für die älteren Töchter die Geschenke besorgt. Nur
für die Jüngste suchte er die Feder bis schon die Nacht anbrach,
doch weder gab es da diese Feder für den Kaufe, noch für den
Tausche.
So
kehrte der Fater
erneut ohne Geschenk für die jüngste Tochter heim. Er bedauerte
Nasten'ka sehr, Nasten'ka lächelte ihn aber an: Sie war schon froh
darüber, dass sie ihren Fater wieder sah.
Die
Zeit ging, der Fater
fuhr wieder auf den Markt.
„Was soll ich euch, liebe
Töchterchen, mitbringen?“
Die
Älteste dachte ein
wenig nach, hatte jedoch keinen Einfall, was sie noch brauchte.
„Bringe
mir Etwas,
Fäterchen.“
Die
Mittlere sagte: „Und
mir, Fäterchen, bringe mir auch Etwas. Und dem Etwas füge noch was
bei.“
„Und
für dich, Nasten'ka?“
„Für
mich, Fäterchen,
bringe nur die Feder des Hellen Falken vom Sternbild Finist mit.“
So
fuhr Lubomir
Wedaslawitsch auf den Markt. Seine Angelegenheiten hatte er erledigt,
den ältesten Töchtern hatte er die Geschenke besorgt, doch für die
Jüngste war die Suche nach jener Falkenfeder auf dem Markte wieder
ohne jeglichen Erfolg.
So
machte sich der Fater
wieder auf den Weg in die Waldsiedelei, da sah er auf einmal einen
alten Wolchwen mit einem Eichenstock gehen. Er war noch älter als
der Bauer selbst, ganz greise schon.
„Heil und Wohl,
Großfäterchen!“
„Heil
und Wohl, mein
Lieber. Was bereitet dir solch einen Kummer?“
„Na,
wie soll es denn sonst sein, Großfäterchen! Die Tochter hatte mich
gebeten, dass ich ihr eine Feder des Hellen Falken vom Sternbild
Finist bringe. Ich suchte diese Feder, es gibt sie allerdings
nirgends. Und die Tochter ist ja meine jüngste – meine
Lieblingstochter, so tut es mir am meisten weh.“
Der
alte Wolchwe dachte
eine Weile nach, dann sagte er: „Nun dann soll es so sein!“
Er
schnürte seinen
Schultersack auf und holte ein Schächtelchen hervor.
„Stecke
das Schächtelchen
hinein“, sagte er „hüte es, darin ist die Feder des Hellen
Falken vom Sternbild Finist. Und präge dir meine Worte ein: Ich habe
einen Sohn. Dir tut deine Tochter leid und mir mein Sohn. Mein Sohn
soll jetzt heiraten, denn seine Zeit ist schon gekommen. Darf man ihn
zwingen, wenn er anderer Meinung ist? Er sagte mir: Wenn jemand bei
dir diese Feder erbittet, so gib sie dem – es bittet meine mir vom
Swarog
gegebene Braut.“
So sagte der alte Wolchwe seine Worte und auf
einmal war er weg, wie vom Erdboden geschluckt, keiner weiß wohin:
War er überhaupt da oder war es nur eine Einbildung?
Der Fater
von Nasten'ka hielt jedoch das Schächtelchen mit der Feder in der
Hand. Er schaute sich die Feder an, es war eine einfache graue Feder.
Und doch konnte man sie nirgends finden. Der Fater besann sich
darauf, was ihm der alte Wolchwe sagte, und dachte: „So hatte wohl
Makosch für meine Nasten'ka solch ein Schicksal geflochten, dass es
ihr Urteil ist, dass sie ohne Kennenlernen und Erblicken jemanden
heiraten soll, ohne dass sie vorher wissen kann – wen denn
überhaupt.“
Der
Fater kam heim in die
Waldsiedelei, schenkte den älteren Töchtern die Geschenke, und der
Jüngsten, Nasten'ka, gab er das Schächtelchen mit der Feder.
Die
älteren Schwester
kleideten sich und lachten über die Jüngere.
„Du,
Nasten'ka, steck
dir doch deine Spatzenfeder in die Haare und bewundere dich im
Spiegel.“
Nasten'ka schwieg indes, sobald sich aber alle im
Dunkeln schlafen gelegt hatten, legte sie vor sich die einfache graue
Feder des Hellen Falken vom Sternbild Finist hin und schaute auf sie.
Danach nahm Nasten'ka die Feder in die Hand, drückte es an sich,
streichelte und ließ sie dabei aus Versehen auf den Boden fallen.
Sogleich
schlug jemand
ans Fenster. Das Fenster öffnete sich und in die Kammer flog der
Helle Falke. Er berührte den Boden und wandelte sich in einen
wunderschönen Jüngling. Nasten'ka schloss das Fenster und redete
mit dem Jüngling Worte der Herzen. Gen Morgen öffnete Nasten'ka das
Fenster, der Jüngling beugte sich bis an den Grund und wurde
sogleich wieder der Helle Falke, und der Falke hinterließ die
einfache graue Feder und flog in den blauen Himmel empor.
Drei
Abende lang empfing
Nasten'ka den Falken bei sich. Tagsüber flog er im Himmel, über
Feldern, Wäldern, Bergen und Meere, und neigte sich der Tag, da war
er bei Nasten'ka und wandelte sich in einen schönen Jüngling.
Am vierten Abend
hörten die älteren Schwestern die leise Unterhaltung von Nasten'ka,
sie nahmen auch die fremde Stimme des Jünglings wahr und fragten
morgens die jüngste Schwester: “Mit wem redest du denn nachts,
liebes Schwesterchen?“
„Ich
rede mit mir selbst
“, erwiderte Nasten'ka, „Bin doch ohne Freundinnen, tagsüber bin
ich bei der Arbeit, da ist wenig Zeit für Gerede, so tue ich es des
Nachts mit mir selbst.“
Die älteren Schwestern hörten, was
Nasten'ka sagte, schenkten ihr jedoch kaum Glauben. Dem Fater sagten
sie: “Fäterchen, unsere Nasten'ka hat ja einen Bräutigam, sie
sieht sich mit ihm nachts und redet mit ihm. Wir selbst haben es
gehört.“
Und
Fäterchen erwiderte
darauf: „Sollt ihr lauschen? Nasten'ka kann doch einen Bräutigam
haben! Was ist denn Schlimmes dabei, sie ist eine schöne Maid und
ist jetzt auch in ihre Zeit gekommen; So sei der Wille von
Dazhd'bog,
dann kommt auch eure Zeit.“
„Aber Nastja hat doch seinen
Bräutigam vorzeitig erkannt“, sagte Sabawa, „Ich wäre als erste
an der Reihe mit dem Heiraten.“
„Da
redest du wahr“,
urteilte Fäterchen, „Das Schicksal jedoch geht weniger nach dem
Zählen, sondern nach dem Willen des Rod und dem Wunsch der Makosch.
Manche Braut hockt bis ins hohe Alter als Jungfrau da, und andere
sind bereits seit jungen Jahren allen Menschen lieb.“
So redete
der Fater mit den älteren Töchtern, bei sich dachte er allerdings:
'Oder wird nun das Wort jenes alten Wolchwen wahr, welcher mir die
Feder geschenkt hatte! Es ist ja sicher gut, der alte Wolchwe ist mit
der Zeit weise geworden und wird von allen himmlischen Göttern
geliebt, so wird sein Sohn auch ein guter Mensch sein, der Bräutigam
von Nasten'ka!“
Und
die älteren Töchter
hatten ihren eigenen Wunsch im Sinne, so fassten sie den Entschluss,
dass sie den Nachtgast fort treiben, bloß damit sie selber vor
Nastja heiraten können. Kaum ging der Tag auf, da klappten
Nasten'kas Schwester die Messerklingen auf und steckten die scharfen
Klingen in den Rahmen des Fensters. Und neben den Messerklingen
steckten sie noch spitze Nadeln und feurige Pfeile hinein. In dieser
Zeit war Nasten'ka im Stall und arbeitete bei den Kühen. So konnte
sie die Missetat weder sehen, noch erahnen.
Als
es dunkel wurde, flog
der Helle Falke an Nasten'kas Fenster. Kaum das Fenster erreicht,
schlug er gegen scharfe Messerklingen, spitze Nadeln und feurige
Pfeile, immer und immer wieder flog er an, dass seine Brust schon
blutete. Nasten'ka ward so müde von der Tagesarbeit, dass sie beim
Warten auf ihren Hellen Falken einnickte und tief schlief, so dass
sie Schlagen ihres Falken überhörte.
Dann
kündigte der Helle
Falke laut an:
„Leb
wohl, meine schöne
Maid! Wenn du mich brauchst, so findest du mich, auch wenn ich sehr
weit weg sein werde! Doch ehe du wieder bei mir sein kannst, musst du
über drei mal neun Erden,
ins dreizehnte Sternbild
gehen. Dabei trägst du sieben Paar eiserne Stiefel kaputt und isst
sieben eiserne Brote auf.“
Nasten'ka
hörte im
Schlummern diese Worte des Hellen Falken, schlief doch wie im Zauber
weiter. Am Morgen wurde sie wach, und getrübt war ihr Herz. Sie
erblickte das Fenster und sah das in der Sonne getrocknete Blut des
Hellen Falken. Nasten'ka weinte bitterlich, öffnete das Fenster und
schmiegte ihr Gesicht an die Stelle, wo das Blut des Hellen Falken vom
Sternbild Finist war. Die Tränen spülten das Blut des Falken
weg, und es schien, als ob Nasten'ka selbst mit dem Blut des
Geliebten gewaschen wurde und dadurch noch schöner erstrahlte.
Nasten'ka
suchte den
Fater auf und sagte ihm: „Fäterchen, sei so lieb, bitte lasse mich
auf einen weiten Weg gehen, drei mal neun ferne Weiten.
Wenn Dazhd'bog es will, so werd' ich am Leben bleiben. Dann werden
wir uns wiedersehen und wenn ich sterbe, so war es dann in meinem
Schicksal geschrieben.“
Dem
Fater tat es leid,
dass die jüngste und geliebte Tochter von ihm weg, wer weiss wohin,
gehen wollte. Doch durfte er sie zwingen, dass sie in der
Waldsiedelei bliebe? Laut Gesetz des Swarog's ist es anders. Der
Fater wusste auch, dass das Herz einer Maid, was voller Liebe ist,
stärker als alle Macht des Faters und der Mutter ist, es gehorcht
nur den Göttinen Lada
und Makosch. Er sagte der geliebten Tochter Aufwiedersehen, segnete
sie für die weite Reise und liess sie mit dem Schutz der lichten
Götter gehen.
Ein
Meisterschmied
fertigte für Nasten'ka sieben Paar eiserne Stiefel an, und Nasten'ka
nahm noch sieben eiserne Brote mit, neigte sich vor dem Fäterchen
und ihren älteren Schwestern, besuchte ihre geliebten Brüder und
die Gedenkstätte ihrer Mutter, brachte Gaben dem Rod und der Lada.
Dann trat sie ihre weite Reise an, auf der Suche nach ihrem Geliebten
den Hellen Falken.
So
ging Nasten'ka ihren
Weg, sie ging mehr als einen Tag, mehr als zwei und mehr als drei,
sie ging eine ganze lange Weile. Sie ging durch das reine Feld, durch
den Taiga Wald, sie ging auch durch die hohen Berge. In den Feldern
sangen Vögel Lieder für sie, Taiga Wälder begrüßten sie, von den
hohen Bergen bewunderte sie die Welt. So erreichte sie ein
erstaunliches Tal, wo Handelswaitmanas
standen und von diesem Tal in den grossen Himmel flogen. So bat
Nasten'ka gütige Menschen, dass sie sie auf eine Handelswaitmana
mitnehmen und so flog sie von ihrer Heimaterde weg. Ihre weite Reise in
die sieben und zwanzig ferne Weiten
begann.
Sehr
lange schoss die
Handelswaitmana mitten durch die Himmelssterne, keiner weiß, wie
viel Zeit vorbei ging, hatte Nasten'ka erst ein Paar Eisenstiefel
kaputt getragen und ein eisernes Brot aufgegessen. Hier ging auch
schon der Flug der Handelswaitmana vorbei.. Nasten'kas Reise ging
jedoch noch viel viel weiter. So atmete Nasten'ka erschöpft durch,
und nachdem die Himmelsfrachter auf einer merkwürdigen Erde gelandet
waren, ging sie auf einen Waldweg weiter, immer der schlafen gehenden
blauen Sonne hinterher. Sie ging lange, die Nacht brach an, auf dem
Himmelszelt über der Erde leuchteten schon zwei Monde, und da sah
Nasten'ka eine Holzhütte im Wald.
So
dachte Nasten'ka bei
sich: „Ich gehe dahin und frage die Menschen in der Hütte, ob sie
meinen Hellen Falken vom Sternbild Finist gesehen hatten!“
Nasten'ka
klopfte an die
Hütte an. In jener Hütte lebte eine alte Frau. Ob sie gütig oder
bös ist, war fraglich. Eine alte Frau öffnete die Tür der Diele
und sah die Maid vor sich stehen.
„Großmütterchen,
lass
mich bei dir nächtigen!“
„Komm
herein, Liebes,
sei Gast bei mir. Wie heißt du denn, Liebes?“
„Nasten'ka.
Und wer
seid Ihr, Großmütterchen?“
„Ich
bin die Göttin
Karna.
Ist dein Weg noch weit, junge Maid?“
„Wie
soll ich es
wissen, Großmütterchen, ob meine Reise weit oder kurz ist? Ich
suche den Hellen Falken vom Sternbild Finist. Hast du vielleicht
etwas von ihm gehört, Großmütterchen Karna?“
„Und ob ich
von ihm gehört habe! Ich bin alt und lebe schon lange auf der Welt
des Swarog, ich habe über alle, in allen Welten gehört! Es ist
allerdings sehr weit bis ins Sternbild Finist, Liebes, noch
anderthalb Runden von fernen Weiten.“
Am
nächsten Morgen
weckte die Göttin Karna Nasten'ka und sagte ihr: „Gehe jetzt,
Liebes, meine Schwester, die Göttin Zhelja
wird dir helfen. Sie ist älter als ich und weiß auch mehr.
Vielleicht lehrt sie dich Güte und sagt, wo dein Heller Falke lebt.
Und damit du mich, alte Frau, in Erinnerung behältst, nimm hier den
silbernen Boden und die goldene Spindel, willst du Wolle spinnen, so
zieht sie einen goldenen Faden. Hüte mein Geschenk, Nasten'ka,
solange es dir wert ist, und wird es dir weniger wert sein, so
schenke es selber weiter.“
Nasten'ka
nahm das
Geschenk, bewunderte es und sagte der Gastgeberin Karna: „Ich danke
dir, Großmütterchen Göttin. Doch wo soll ich hin gehen, in welche
Richtung?“
„Ich
gebe dir ein
Knäuel, es rollt von allein und wird dir den Weg weisen. Wo der
Knäuel hin rollt, so schreitest du auch hinterher. Und willst du
ruhen, setz' dich aufs Gras, so bleibt auch der Knäuel stehen, es
wird auf dich warten.“
Nasten'ka neigte sich
tief vor der alten Göttin Karna und ging dem Knäuel hinterher. Ob
weit oder nah sie ging, den Weg zählte Nasten'ka nimmer mehr, ohne
das sie sich selber schonte, ging sie immer weiter. So sah sie dunkle
furchtbare Wälder stehen, in den Feldern brotloses stacheliges Gras
wachsen, auf kahle steinige Berge traf sie und die Vögel schwiegen
über diesem Flecken Erde. Nasten'ka ging indes weiter, eilte immer
schneller voran. Schau mal, da ward schon wieder ein wunderbares Tal,
und auf ihm standen goldene Waitmanas, eine Handelskarawane. So bat
Nasten'ka gütige Menschen, dass sie sie mit auf die goldenen
Sternenfrachter mit nehmen würden. Sie zog das zweite Paar eiserne
Stiefel an, nahm den wegweisenden Knäuel auf und flog von der
merwürdigen Erde weg, wo die Göttin Karna lebte.
Lange
schossen die
goldenen Waitmana's mitten durch die Himmelssterne, wie lange weiß
keiner. Bloß hatte Nasten'ka noch ein Paar eiserne Stiefel kaputt
getragen und noch ein eisernes Brot aufgegessen. Und hier ward auch
schon die Reise mit den goldenen Waitmana's vorbei. Doch Nasten'kas
Reise ging noch lange weiter.
So
landete die goldene
Waitmana auf einer dunklen düsteren Erde. Die kressrote Sonne
schwand hinter den Bergen und gab wenig Wärme und Licht. Im Himmel
gab es gar keine Monde über dieser Erde. So sah Nasten'ka in der
Nähe den schwarzen Wald, die kalte Nacht brach an, und am Waldrand
wurde in einer einsamen Holzhütte im Fenster ein Licht angezündet.
Nasten'ka ließ den wegweisenden Knäuel von den Händen auf die
düstere Erde fallen, und er rollte an jene Hütte. Nasten'ka ging
hinterher und klopfte ans Fenster: „Gütige Herren, lassen Sie mich
nächtigen!“
Im
Eingang der Hütte
erschien eine alte Frau, noch greiser als jene, die Nasten'ka davor
empfangen hatte.
„Wohin
des Weges,
hübsche Maid? Wen suchst du in der Welt?“
„Ich
suche,
Großmütterchen, den Hellen Falken vom Sternbild Finist. Ich war bei
der alten Göttin Karna im Wald mit der blauen Sonne, nächtigte eine
Nacht bei ihr, sie hatte über den Hellen Falken gehört, doch muss
er auf einer anderen Erde, als ihrer sein. Vielleicht, sagte sie,
weiß ihn ihre Schwester, die Göttin Zhelja.“
Die
alte Frau ließ
Nasten'ka in die Hütte, gab ihr Essen und Trinken und legte sie
Schlafen. Und morgens weckte sie ihren Gast und sagte: „Horch mal,
liebe Maid, was ich dir sage. Man nennt mich Göttin Zhelja. Weit
musst du deinen Hellen Falken suchen, bis ins Sternbild Finist ist es
von uns noch zwei mal neun ferne Weiten und noch die Hälfte.
Ich hatte von ihm gewusst, jedoch sah ich ihn auf einer anderen als
dieser Erde. Und jetzt gehe, unsere ältere Schwester die Göttin
Sretscha
muss über ihn etwas wissen. Sie ist die jüngste Tochter der
Gottesmutter Makosch, sie webt Menschen das glückliche Los. Und
damit du mich in Erinnerung behältst, nimm hier ein kleines Geschenk
von mir mit. In Freude wird es dir gutes Gedenken sein und in der Not
bringt es dir Hilfe.“
Und
die Göttin Zhelja
gab ihrer Besucherin als Geschenk den silbernen Teller und das
goldene Ei.
Nasten'ka dankte der alten Göttin und Gastgeberin
für die Aufmerksamkeit und Hilfe bei ihren mitgebrachten Sorgen,
neigte sich vor ihr und ging dem wegweisenden Knäuel nach.
Nasten'ka
ging weiter,
und die Natur wurde ihr gar befremdlich.
Sie
schaute und sah nur
den schwarzen Wald auf jener Erde wachsen, ohne das reine Feld. Auch
die Bäume wurden immer höher, je weiter der Knäuel rollte, und
deren Stämme wuchsen ineinander. Es wurde immer finsterer: Die
kressrote Sonne sah man im Himmel kaum noch, nur das schwache
Leuchten des feuerroten Horizontes blieb. Der schwarze Wald blieb
hinter ihr, und Nasten'ka sah eine große Heide, ganz mit schwarzem
Stein bedeckt und darauf waren feurige Waitmanas.
So bat
Nasten'ka gütige Menschen, dass sie sie mit auf die feurige Waitmana
mitnehmen. Sie zog das dritte Paar eisernen Stiefel an, nahm den weg
weisenden Knäuel mit und flog von der düsteren Erde weg, wo die
gütige Göttin Zhelja lebte.
Sehr
lange schoss die
feurige Waitmana mitten durch die Himmelssterne auf dem Wege des
Perun.
Wie viel Zeit vorbei ging, weiß wohl keiner, da hatte Nasten'ka das
dritte Paar eisernen Stiefel kaputt getragen und das dritte eiserne
Brot aufgegessen, und da ward schon auch der Weg für die feurigen
Waitmana am Ziel. Nasten'kas Reise ging jedoch noch lange weiter.
Die
feurige Waitmana
landete auf einer schönen fein geschmückten Erde. Die goldene
Sonne senkte sich hinters Meer, gab viel Licht und Wärme, und vier
Monde erschienen am Himmelszelt. Sie tauchten die schöne Erde in ein
wunderbares Licht. Nasten'ka sah am Rande des türkisfarbenen Meeres
den goldblättrigen Wald und neben jenem Walde einen einsamen Palast.
Nasten'ka
ließ ihr
Knäuel aus der Hand auf der fein geschmückten Erde, und er rollte
auf jenen Palast. Nasten'ka ging dorthin
und klopfte an das Fenster:
'Gütige
Herren, lassen
Sie mich nächtigen!'
Am
Palasteingang trat
eine alte Frau hervor, gütig im Antlitz, wohl noch viel älter als
Göttin Zhelja, die vorher Nasten'ka bewirtet hatte.
„Wohin
des Weges,
schöne Maid? Wen suchst du auf der Swarog seiner Welt?“
„Gütiges
Großmütterchen, ich suche den Hellen Falken vom Sternbild Finist.
Ich war bei der alten Göttin Zhelja im Wald auf der dunklen düsteren
Erde unter der kressroten Sonne, nächtigte ein Mal bei ihr. Sie
hörte zwar über den Hellen Falken, jedoch weiß sie ihn nicht auf
ihrer Erde. Sie sagte, vielleicht weiß es ihre ältere Schwester,
Göttin Sretscha. Doch ich habe keine Ahnung, wo ich sie suchen
soll.“
Die
alte Frau ließ
Nasten'ka in die Stube, gab ihr Essen und Trinken, ließ sie in der
Banja
reine schwitzen und legte sie schlafen.
Am
Morgen weckte sie ihre
Besucherin und sagte ihr: „Horch mal, liebe Maid, was ich dir sage.
Ich bin es, die Göttin Sretscha. Sehr weit musst du deinen Hellen
Falken suchen, von uns bis zum Sternbild Finist sind es mindestens
zwei mal neun ferne Weiten
und noch ein Drittel. Ich wusste über ihn, jedoch sah ich ihn auf
einer anderen Erde. Und jetzt gehe, meine ältere Schwester, Göttin
Nesretscha,
sie webt für Menschen das Schicksalslos und sie weiß wohl über
dein Pech. Und damit du mich in Erinnerung behältst, nimm ein
kleines Geschenk von mir mit. In Freude wird es dir ein Gedenken sein
und in der Not leistet es dir Hilfe.“ Die Göttin Sretscha gab
ihrer Besucherin die silberne Mühle mit Malachitmalsteinen.
Nasten'ka
dankte der
gütigen Göttin, auch für die Anteilnahme an ihren mitgebrachten
Sorgen, neigte sich vor ihr und ging hinter dem Wegweiserknäuel her,
bis in ein Tal, wo mehrere Waitmanas standen. Sie sah eine silberne
Waitmana, zog das vierte Paar eiserne Stiefel an und bat gütige
Menschen sie, dass sie sie mitnehmen.
Sehr
lange sauste die
silberne Waitmana mitten durch die Himmelssterne. Keiner weiß, wie
viel Zeit vorbei floss, jedoch hatte Nasten'ka auch das vierte Paar
eiserne Stiefel kaputt getragen und das vierte eiserne Brot
aufgegessen. Und hier war auch der Weg der silbernen Waitmana
geschafft, und doch, die Reise von Nasten'ka ging noch weiter.
Nasten'ka seufzte dann schwer, und sobald die Waitmana auf einer
merkwürdigen, leeren und heißen Erde landete, ging sie einen
geschwungenen Weg, welcher zwischen die Berge führte. Lange ging
sie, die Nacht brach ein, im Himmel über der Erde leuchteten hell
drei Monde auf. So sah Nasten'ka am Wege hinter einem Steinzaun mit
dem geschmiedeten Tor einen Steinpalast stehen.
Nasten'ka
dachte bei
sich: „So gehe ich nun in den steinernen Palast, bitte gütige
Menschen für einen Nachtlager, und morgens werde ich die Hausherren
fragen, ob sie vielleicht meinen Hellen Falken vom Sternbild Finist
gesehen haben!“
Nasten'ka
klopfte ans
geschmiedete Tor, daraufhin kam eine uralte Frau vom steinernen
Palast. Die alte Frau öffnete das geschmiedete Tor und sah eine
schöne Maid vor sich stehen.
„Gütiges
Großmütterchen, lass mich bei dir nächtigen!“
„Komm
herein, Liebes,
in den Palast, sei mein Gast.“
In
einer geräumigen
Stube gab die uralte Frau Nasten'ka Essen und Trinken und legte sie
auf einer seltsamen Liege schlafen. Morgens weckte sie ihren Gast
und sagte ihr: „Wie heißt du denn, schöne Maid?“
„Nasten'ka.
Und wer
seid ihr, Großmütterchen und was bringt Sie dahin, dass sie in
dieser Einöde leben?“
„Ich bin die Göttin Nesretscha, meine
Mutter Makosch hatte mir aufgetragen, dass ich das Schicksal ohne
Glück, für all jene webe, die die Gesetze von Rod und Swarog
missachten. Ist deine Reise noch weit, Liebes? “
„Ob
es nah oder weit
ist, was weiss ich, Großmütterchen. Ich suche den Hellen Falken von
Sternbild Finist. Das dunkle Los hat uns getrennt. Vielleicht hast du
etwas über ihn gehört, Großmütterchen Nesretscha?“
„Und
ob ich gehört
habe! Ich bin alt und lebe schon lange auf Swarog's Welt, ich weiß
über die Schicksale von vielen in den Welten des Swarog! Du hast es
noch weit bis ins Sternbild Finist, Liebes, noch eine Runde von
fernen Weiten und mit einem Viertel.
Doch merke es dir, Liebes, es ist etwas anderes als das dunkle Los,
das dich und deinen Liebsten getrennt hat, es ist bloß Neid von
Menschen. Und wenn du an deinen Plan festhältst, und deine Liebe
stark bleibt, so wird alles in deinem Leben gut gehen und das Glück
wird an deiner Seite bleiben! Und jetzt gehe, Liebes, meine
Verwandte, die Göttin Tara. Sie
ist kaum älter als ich, weiß jedoch über das Gute Leben
mehr. Vielleicht lehrt sie dich Güte und sagt, wo dein Heller Falke
lebt. Und damit du mich, altes Weib, in Erinnerung behältst, nimm
hier mal dieses silberne Butterdöschen mit dem goldenen Deckelchen.
Darin liegt Butter und bleibt immer mit ihr gefüllt. Und wenn du ein
Mahl nimmst, gebe die Butter ins Essen hinein, so findest du selten
solch Essen, was so vorzüglich schmeckt. Hüte mein Geschenk,
Nasten'ka, so lange es dir wert ist, und wenn es dir weniger mehr
wert ist, so schenke es selbst weiter.“
Nasten'ka
nahm das
Geschenk, dankte der gütigen Göttin Nesretscha, sagte ihr
Aufwiedersehen und ging vom Hofe weg dem Wegzeigerknäuel hinterher.
Der Knäuel führte sie über die Berge in ein Tal, wo nur eine große
Waitmara
stand. Sie sah die große Waitmara stehen, zog das fünfte Paar
Stiefel an und bat gütige Menschen, das sie sie mit auf die Erde
nehmen, wo die Göttin Tara lebte.
So
rasch flog die große
Waitmara durch die Himmelssterne, dass das Sternenlicht wie Streifen
wurde und mit einem wunderschönen Regenbogenschweif glitzerte. Wie
viel Zeit vorbei ging, weiß keiner, Nasten'ka hatte jedoch das
fünfte Paar eiserne Stiefel kaputt getragen und das fünfte eiserne
Brot aufgegessen. Hier war auch schon die Reise von der großen
Waitmara auf der Erde Tara vorbei, Nasten'kas Reise jedoch ging immer
noch weiter.
Die
große Waitmara
landete auf einer wundersamen und erstaunlichen Erde. Die goldene
Sonne spielte mit ihren Strahlen über den grünen Wäldern, gab
Lebewesen aller Art reichlich Wärme und Licht. Nasten'ka sah neben
den grünen Wäldern eine wunderschöne Stadt stehen und in deren
Mitte einen Palast aus weißem Stein.
So
ließ Nasten'ka ihren
Knäuel von der Hand auf die erstaunliche Erde fallen, und es rollte
auf direktem Wege in jene Stadt. Nasten'ka ging hinterher durch die
Stadt, am Markt blieb der Knäuel ohne Regung liegen. Sie hob ihn
hoch, und es kamen gütige und fröhliche Menschen, alle feierlich
gekleidet. Nasten'ka fragte sie: „Sagt mir, ihr gütigen Menschen,
wo soll ich weiter hin gehen, wo finde ich die helle Göttin Tara?“
Die
gütigen Menschen
nahmen Nasten'ka an ihren weißen Händen und führten sie bis an den
Palast ganz in weißem Stein, ließen sie am Eingang stehen und
gingen wieder ihren Tätigkeiten nach.
Nasten'ka
klopfte an der
mit Schnitzereien geschmückten Eichentür. Die Eichentür ging auf
und da trat eine schöne Maid ans Licht, die Augen leuchteten blau,
und der helle Zopf langte bis an den Boden. Sie schaute Nasten'ka
sanft an und fragte: „Wer bist du, schöne Maid und welches
Anliegen hast du?“.
„Schwesterchen,
ich
suche die helle Göttin Tara wegen einer wahren Herzensangelegenheit.
Und geschickt hatte mich ihre Schwester, die Göttin Nesretscha.“
Die
schöne Maid nahm
Nasten'ka an die Hand, führte sie in den Palast von weißem Stein,
gab ihr Essen und Trinken, brachte sie danach ins Schlafgemach und
sagte: „Ich bin Göttin Tara, Schwesterchen. Du schaust, wie jung
mein Antlitz ist, obwohl ich schon mehrere hundert Lebensrunden
auf Swarog's Welt lebe? Schlafe jetzt nach der weiten Reise und
ruhe sanft und morgen reden wir über deine Herzensangelegenheit“.
Nasten'ka
legte sich auf
das Federbett und schlief gemütlich ein, ein Schlaf, so angenehm wie
selten vorher. Am Morgen weckte die Göttin Tara Nasten'ka, gab ihr
Essen und Trinken, führte sie in einen wunderbaren Garten, setzte
sie auf eine fein geschnitzte Bank und fragte sie:
„Erzähle,
liebes
Schwesterchen, was für ein Herzensanliegen bedrückt dich?“
Nasten'ka
erzählte der
Göttin Tara alles, wie es war, ohne das sie etwas geheim hielt.
„Horch,
liebes
Schwesterchen, ich habe von deinem Hellen Falken gehört! Ich lebe
doch schon lange auf Swarog's Welt, ich weiß über vieles in den
nahen Welten Bescheid! Bis zum Sternbild Finist hast du noch eine
weite Reise, es ist noch eine Runde der fernen Weiten.
Aber du solltest dich eilen, Schwesterchen, er hat sich von seinen
Wunden erholt, ist jedoch einer schwarzäugigen Maid mit
feuerroten Haaren ins Auge gefallen, die von einer fremden Erde, von
einer fernen Welt gekommen ist. Reise jetzt weiter, bei der Göttin
Djiwa,
der Gattin meines Bruders, des Gottes Tarch Dazhd'bog wirst du Rat
finden. Sie ist älter als ich und weiß auch mehr. Vielleicht
öffnet sie dir den kürzesten Weg ins Sternbild Finist, wo jetzt
dein Heller Falke lebt. Und damit du mich in Erinnerung behältst,
Schwesterchen, nimm hier mit Gold bemaltes Zitherlein mit silbernen
Saiten. Spielst du diese Zither, so geht die ganze Welt tanzen. Hüte
mein Geschenk, Nasten'ka, so lange es dir wert ist, und wird es dir
weniger wert, so schenke es selbst. Und jetzt geh, meine Feuerkutsche
wartet auf dich, sie bringt dich rasch zu meinem Bruder, und da
findest du auch Djiwa.“
Nasten'ka nahm das Geschenk – mit Gold
bemaltes Zitherlein, neigte sich vor der ewig jungen Göttin Tara,
dankte ihr und stieg in die Feuerkutsche. Sobald sie die Feuerkutsche
erreicht hatte, zog sie das sechste Paar eiserner Stiefel und flog in
der Kutsche von der wundersamen Erde weg.
So
schnell flog die
Feuerkutsche durch die Himmelssterne, dass keine Sterne mehr sichtbar
waren, nur der mehrfarbige Regenbogen schimmerte in allen Lichtern.
Wie viel Zeit geflossen war, ist offen, doch Nasten'ka hatte das
sechste Paar eiserner Stiefel kaputt getragen und das sechste eiserne
Brot aufgegessen, da war auch schon die Reise der Feuerkutsche
vorbei, das Ziel von Nasten'kas Reise war schon ganz nah.
Die
Feuerkutsche landete,
Nasten'ka kam hervor und konnte vor Staunen kaum noch klar denken. Es
schien ihr, als ob sie wieder auf der Heimaterde wäre, als ob die
ganze weite Reise nur ein Traum war.
Genau
so spielte die
helle Sonne über Wäldern und Feldern mit ihren Strahlen, genau so
flogen die Vögel im Himmel. Nasten'ka schaute und sah zwischen dem
Feld und dem Wald eine wunderbare Holzhütte stehen. Von dieser Hütte
kam solch eine wunderschöne Frau, dass man das kaum beschreiben
kann. Nasten'ka ging hin und sagte: „Heil und Wohl dir, gütige
Herrin, sag mir bitte, wo finde ich die Göttin Djiwa?“
Die
Schöne von der Hütte
antwortete Nasten'ka: „Heil und Wohl dir auch, liebe Maid. Ich bin
Göttin Djiwa, welches Anliegen hast du?“
Nasten'ka
erzählte der
Göttin Djiwa alles, wie es war, ohne dass sie etwas geheim hielt.
Diese sagte ihr dann: „Komm in die Hütte, liebe Maid, ruhe dich
von der weiten Reise, sobald mein Gatte Dazhd'bog Tarch Perunowitsch
wieder heim gekehrt ist, bringt er dich mit seiner Kutsche ins
Sternbild Finist, auf die Erde, wo jetzt dein Heller Falke lebt.“
Nasten'ka
betrat die
wunderbare Hütte, setzte sich in der Stube auf eine fein geschnitzte
Bank und schlummerte sofort ein.
Und
wie sie aufwachte,
sah sich Nasten'ka im Raum. Sie sah sich auf einem Federbett auf
weichen Kissen liegen, hinter dem Seidenvorhang führte jemand ein
leises Gespräch. Nasten'ka horchte hinein und hörte eine
Männerstimme: „Der Helle Falke hat heute geheiratet, er lebt mit
einer fremdirdischen Herrin. Sie bezauberte ihn mit ihren Hexereien,
die schwarzäugige Maid mit feuerroten Haaren, die ins Sternbild
Finist von einer fremden Erde einer fernen Welt gekommen war. Es
wird für Nasten'ka schwer sein, dass sie ihren Liebsten
wiedergewinnen kann, doch hat sie ein Herz voller Liebe, und dem
Herzen gesellt sich auch noch Klugheit, und mit der Schläue wird das
Schwere auch leichter.“
Nasten'ka
ging in den
Raum des Gastgebers und sagte: „Ich danke Euch für Eure Fürsorge,
helft mir bitte, ihr gütigen Gastgeber, dass ich bis ans Sternbild
Finist gelange, und dort, wenn es der Wille von Rod und Makosch sein
sollte, werde ich meinen Hellen Falken wiedergewinnen.“ Sie neigte
sich tief vor ihnen.
Die
Göttin Djiwa sagte:
„Nachher sollst du mir danken. Und hier ist ein kleines Geschenk –
nimm von mir den goldenen Stickrahmen und die Nadel. Halte den Rahmen
fest und die Nadel wird ganz alleine sticken. Gehe jetzt, liebe Maid,
mit Tarch Perunowitsch, er bringt dich ins Sternbild Finist, es ist
nur noch eine halbe Runde von fernen Weiten
übrig geblieben. Und was du tun musst, wirst du später selbst
erfahren.“
Nasten'ka
zog das letzte
Paar eiserner Stiefel an und flog mit der Himmelskutsche von der
wunderbaren Erde weg.
Auch
wenn die
Himmelskutsche schnell durch die Sterne flog, so kam es Nasten'ka
vor, als ob diese Reise die längste wäre. Wie viel Zeit geflossen
war, weiss wohl keiner, nun hatte Nasten'ka das letzte Paar eiserner
Stiefel runter getragen und das letzte eiserne Brot aufgegessen, hier
war auch die Reise der Himmelskutsche vorbei.
Die
Feuerkutsche landete,
Dazhd'bog Tarch Perunowitsch zeigte Nasten'ka die Richtung, wohin sie
gehen sollte und sagte: „Nimm von mir ein kleines Geschenk, schöne
Maid, das mehrfarbige Bändchen. Wird dir das Herz ganz schwer, so
flechte dieses Bändchen in deinen hellen Zopf ein, und was danach
geschieht, wirst du schon sehen.“
Nasten'ka
ging wie sie
war, barfüssig. Sie dachte bei sich: „Wie gehe ich nun? Die Erde
ist hier hart, fremdlich, da muss ich mich noch daran gewöhnen...“
Sie
ging nur kurz. Da sah
sie auf einer Lichtung einen wohlhabenden Hof stehen. Im Hofe war
eine Holzhütte mit einem fein geschnitzten Eingang und mit Muster
geschmückten Fenstern. An einem Fenster saß eine wohlgenährte
wohlhabende Hausherrin mit feuerroten Haaren und schaute Nasten'ka
an, was sie wohl hier suchen mag?
Nasten'ka
besann sich,
dass sie keine Schuhe mehr hatte, das letzte Paar eiserner Stiefel
hatte sie kaputt getragen und war auch ohne Essen, das letzte eiserne
Brot hatte sie auf dem Flug aufgegessen.
Sie sagte der
schwarzäugigen Herrin mit feuerroten Haaren: „Heil und Wohl dir,
Herrin des Hofes! Braucht ihr vielleicht eine Magd, die fürs Brot,
Kleidung und Schuhwerk arbeitet?“
„Brauchen
wir“,
erwiderte die Hausherrin, „kannst du Öfen heizen, Wasser holen und
Mittagsmahl kochen?“
„Ich
lebte bei meinem
Fater ohne die Mutter, ich kann alles.“
„Und
kannst du spinnen,
weben und sticken?“
Nasten'ka
erinnerte sich
an die Geschenke, welche die Göttinnen ihr geschenkt hatten.
„Kann
ich“, sagte
sie.
„Gehe
dann ins
Gesindehaus.“, erwiderte die Hausherrin.
So
begann Nasten'ka mit
der Arbeit auf einem fremden wohlhabenden Hofe, dem sie jetzt diente.
Nasten'ka hatte ehrliche fleißige Hände – jede Aufgabe gelang ihr
gut.
Die
Hausherrin schaute
Nasten'ka an und erfreute sich daran, weil sie ja weder solch eine
fleißige, noch gütige und aufmerksame Magd jemals gesehen hatte.
Nasten'ka nahm auch das einfache Brot und trank es mit Kwass auf,
ohne das sie wegen Tee bat. Die Herrin lobte sie bei ihrer Tochter:
„Schau nur, welch eine fleißige Magd haben wir auf dem Hof:
bescheiden, flink, im Gesicht zart und freundlich!“
Die
Tochter der
Hausherrin schaute sich Nasten'ka an und sagte: „Pfui! Auch wenn
sie so zärtlich und freundlich sein mag, bin ich viel schöner als
sie und mein Körper ist üppiger und mein Haar glänzt wie Feuer und
in ihrem Haar spiegelt sich bloß das Stroh wider!“
Als
der Tag sich neigte
und sie mit der Hofarbeit fertig war, setzte sich Nasten'ka ans
Spinnen. Sie setzte sich auf eine Bank, holte den silbernen Boden mit
der goldenen Spindel hervor und begann mit dem Spinnen. Sie spann,
der Faden zog sich von der Wolle, doch es war kein einfacher, sondern
ein goldener Faden.
Sie
spann und schaute
dabei auf den Boden und es kam ihr vor, als ob sie da ihren Hellen
Falken sehen würde: Er schaue sie so an, als ob er lebendig wäre.
So schaute Nasten'ka ihn an und redete mit ihm: „Mein Liebster,
mein Falke, wofür lässt du mich allein, wieso weine ich nun? Es
sind meine dummen Schwestern gewesen, deren Sinne getrübt wurden,
die uns getrennt haben und dein Blut fliessen liessen.“
Die
Tochter der
Hausherrin kam in diesem Augenblick ins Gesindehaus, stellte sich in
die Nähe, schaute sich Nasten'ka an und horchte.
„Wer bereitet
dir solch einen Kummer,
Maid?“ fragte sie, „Und was für ein Spielzeug hältst du in
deinen Händen!“
Nasten'ka erwiderte: „Es ist mein Liebster,
der Helle Falke. Und hier spinne ich einen Faden und werde dann für
meinen Falken ein Handtuch sticken, dass er morgens damit sein
Gesicht wischen kann.“
„Ich will dein Spielzeug kaufen!“,
bat sie die Tochter der Hausherrin. „Auch mein Gatte ist ein Heller
Falke, ich werd ihm auch einen Faden spinnen“.
Nasten'ka
schaute die
schwarzäugige Tochter der Herrin an, hielt ihre goldene Spindel an
und sagte: „Ich habe kein Spielzeug, das ist Arbeit, was ich in
meinen Händen halte. Und den silbernen Boden und die goldene Spindel
hat mir eine gütige Großmutter geschenkt, das kann keiner
kaufen!“
Die Tochter der Hausherrin war beleidigt, sie wollte
die goldene Spindel für jeden Preis haben.
„Wenn
es ohne Kauf
geben kann“, meinte sie, „dann lass uns Tausch tun, ich schenke
dir dann auch ein Ding.“
„Schenke
mir was“,
erwiderte Nasten'ka, „erlaube mir, dass ich deinen Gatten den
Hellen Falken wenigstens nur kurz mit einem Äuglein sehen darf!
Vielleicht erinnert er mich etwas an meinen Falken!“
Die Tochter
der Hausherrin dachte kurz nach, schüttelte ihre feuerroten Haare
wie Wellen und willigte ein. „Na bitte, Maid“, meinte sie, „Gib
mir dein Spielzeug“.
Sie
nahm bei Nasten'ka
den silbernen Boden und die goldene Spindel und dachte bei sich:
'Ich zeig ihr meinen
Gatten den Hellen Falken ganz kurz, es wird ihm schon gut gehen: Ich
gebe ihm einen Schlaftrunk, und durch diese goldene Spindel werden
ich und meine Mutter reich!'
Spät in der Nacht kehrte der Helle
Falke von Himmel wieder, er wandelte sich in einen jungen Mann und
setzte sich ans Abendmahl in der Familie: Die Schwiegermutter und der
Helle Falke mit seiner Gattin.
Die
Tochter der
Hausherrin ließ Nasten'ka rufen: Sie soll am Tische dienen und sich
den Hellen Falken anschauen, so wie der Tausch war. Nasten'ka
erschien, bediente alle am Tische, reichte Speisen und hatte nur den
Blick für ihren Hellen Falken. Und der Helle Falke saß benebelt am
Tische, als ob er woanders wäre – wie sollte er Nasten'ka
erkennen, sie war auch durch die weite Reise sehr erschöpft, und durch
den Kummer seinetwegen war ihr Gesicht ganz anders geworden.
Auch trug der starke Rauschtrunk der Gattin sein Übriges bei.
Die
Herrschaften waren
mit der Abendmahl fertig, der Helle Falke stand auf und ging in sein
Schlafgemach für die Nachtruhe.
Nasten'ka
sagte dann der
jungen Herrin mit feuerroten Haaren: „Im Hof fliegen so viele
Fliegen. Da gehe ich ins Gemach des Hellen Falken und jage die
Fliegen fort, damit er besser schlafen kann.“
„Ach, lass sie
doch, soll sie gehen!“, meinte die alte Herrin.
Die
junge Herrin dachte
auch hier nach. „Nein“, erwiderte sie, „sie soll warten“.
Und
sie ging dem Gatten
hinterher, gab ihm für die Nacht einen Schlaftrunk und kehrte
wieder.
„Vielleicht
hat die
Magd noch etwas Spielerisches, was ich mit ihr tauschen kann!“,
dachte die Tochter der Herrin bei sich.
„Gehe jetzt“, sagte
sie Nasten'ka, „gehe und jage Fliegen von dem Hellen Falken fort!“
Nasten'ka
kam ins Gemach
des Hellen Falken, ohne das sie noch an die Fliegen dachte. Sie sah
ihren Herzallerliebsten tief und fest schlafen. Sie schaute ihn an
und konnte sich nimmer mehr satt sehen. Sie beugte sich über ihn,
ganz nahe, atmete mit seinem Atem, flüsterte ihm: „Wach auf, mein
Liebster, mein Heller Falke, ich bin bei dir, ich habe sieben Paar
eiserne Stiefel solange getragen bis sie runter gewetzt waren und
dabei sieben eiserne Brote aufgegessen!“
Und
der Helle Falke
schlief so tief und fest, die Augen blieben geschlossen, ohne das
auch nur ein Wort über seine Lippen kam.
Dann
kam die Gattin des
Hellen Falken ins Gemach - die Tochter der Herrin fragte: „Hast
du die Fliegen fortgejagt?“
„Habe
ich“, erwiderte
Nasten'ka, „sie sind durchs Fenster weggeflogen.“
„Na
dann gehe wieder
ins Gesindehaus schlafen“.
Am
nächsten Tage nachdem
Nasten'ka mit allen Arbeiten am Hofe fertig gewesen war, nahm sie den
silbernen Teller und rollte darauf das goldene Ei: Sobald sie das Ei
einmal in voller Runde rollte, rollte sofort ein neues goldenes Ei
von dem Teller. Rollte sie es erneut, so rollte auch ein weiteres
goldenes Ei vom Teller. Dies erblickte die Tochter der Hausherrin.
„Ei,“
meinte sie,
„und solch ein Spielzeug hast du auch! Ich kaufe es, oder ich gebe
dir dafür alles, was du willst. “
Nasten'ka
antwortete:
„Wie kann ich es für den Kauf anbieten, eine gütige Großmutter
hat es mir doch geschenkt. Den Teller mit dem Ei schenke ich dir.
Hier nimm es !“
Die
Tochter der
Hausherrin nahm das Geschenk und war sehr erfreut: „Vielleicht
brauchst du auch etwas, Nasten'ka? Kannst mich um alles bitten, was
du willst.“
Nasten'ka
bat dann: „Ich
brauche ja nur eine Kleinigkeit. Erlaube mir wieder, dass ich die
Fliegen vom Hellen Falken fort jagen darf, wenn er sich schlafen
gelegt hat.“
„Gern“,
erwiderte die
junge Hausherrin.
Bei
sich dachte sie aber:
„Was kann schon mit dem Gatten passieren, wenn er von der fremden
Maid beäugelt wird! Vom Schlaftrunk wird er eh so tief und fest
schlafen, macht kein Auge auf, die Magd hat vielleicht noch ein
Spielzeug! “
Gen
Nachts kehrte der
Helle Falke wie sonst auch vom Himmel wieder, wandelte sich in einen
jungen Mann und setzte sich ans Abendmahl mit seiner Familie.
Die
Gattin des Hellen
Falken ließ Nasten'ka rufen, damit sie am Tische dient und Speisen
reicht. Nasten'ka reichte Speisen, stellte Tassen, legte Löffel und
hielt indes den Blick nur auf den Hellen Falken. Und Finist schaute
sie an, doch waren seine Augen so getrübt, als dass er seine
Nasten'ka erkennen konnte.
Und
genau wie tags davor
gab die Tochter der Herrin ihrem Gatten einen Schlaftrunk und legte
ihn ins Schlafgemach. Und die Magd Nasten'ka schickte sie an ihn und
befahl ihr, dass sie die Fliegen fortjage.
Nasten'ka kam beim
Hellen Falken an, begann mit ihrem Rufen und weinte, sie dachte,
heute wird er aufwachen, sie anschauen und seine Nasten'ka erkennen.
Sehr lange rief sie nach ihm und wischte sich schnell ihre Tränen
vom Gesicht, da sie sonst auf das weiße Gesicht ihres Liebsten
getropft wären und es nass gemacht hätten. Und der Helle Falke
schlief so tief, dass seine Augen fest geschlossen blieben.
Am
dritten Tag war
Nasten'ka mit allen Hofarbeiten fertig, setzte sich auf die Bank im
Gesindehaus, holte den goldenen Stickrahmen und die Nadel hervor. Sie
hielt den goldenen Stickrahmen in den Händen, und die Nadel stickte
ganz allein am Stoff. So stickte Nasten'ka und sang dabei: „Sticke,
sticke, mein rotes Muster, sticke für meinen Liebsten, den Hellen
Falken, möge er etwas zum Bewundern haben!“
Die
junge Hausherrin war
derzeit ganz in der Nähe und trat ins Gesindehaus herein. Sie sah in
Nasten'kas Händen den goldenen Stickrahmen und die Nadel, die ganz
allein stickte. Das Herz füllte sich mit Neid und Gier und so sagte
sie: „Och, Nasten'ka, Schätzchen, du schöne Maid! Schenk' mir
dieses Spielzeug, oder nimm, alles, was du willst als Tausch! Die
goldene Spindel habe ich schon, ich werde Faden spinnen, Leinen
weben, doch den goldenen Stickrahmen mit der Nadel fehlt mir noch -
womit kann ich denn sticken? Willst du tauschen oder kann ich es
kaufen? Ich gebe dir den rechten Preis!“
„Das
ist falsch“,
erwidert Nasten'ka, „man darf den goldenen Stickrahmen mit der
Nadel weder kaufen noch tauschen. Ich habe sie von der gütigsten
und der schönsten Göttin als Geschenk erhalten. Doch ich gebe sie
dir als Geschenk.“
Die
junge Hausherrin nahm
den Rahmen mit der Nadel, war jedoch mit leeren Händen gekommen, so
fehlte ihr etwas, was sie Nasten'ka geben konnte. So sagte sie dann:
„Komm, wenn du willst, von meinem Gatten, den Hellen Falken die
Fliegen fortjagen. Du bittest ja sonst selber dafür.“
„Na
gut, ich werde
schon kommen“, sagte Nasten'ka.
Nach
dem Abendmahl wollte
die junge Hausherrin erst keinen Schlaftrunk dem Hellen Falken geben,
dann überlegte sie es sich noch anders und gab ihm die Zaubertropfen
in seinen Trunk: „Was soll er sich die Maid anschauen, er soll
lieber schlafen!“
Nasten'ka
ging ins Gemach
des Hellen Falken. Nun ertrug es ihr Herz kaum noch mehr. Sie
schmiegte sich an seine weiße Brust und flehte: „Wache auf, wache
doch auf, mein Helles Falklein! Ich bin durch sieben Himmelserden auf
Füssen gegangen, bin auf dem Wege nach meinem Liebsten durch
Swarog's Himmel hindurch geflogen! Selbst der Tod war erschöpft von
meiner Reise durch die Himmelserden, sieben Paar eiserne Stiefel
haben meine Füße runter getragen, sieben eiserne Brote habe ich im
Himmel aufgegessen. Steh auf, wach auf, mein Liebster, mein Falke!
Hab Erbarmen mit mir!“
Und
der Helle Falke
schlief, vom fremdirdischen Trunk betört, dass er weder was spürte,
noch Nasten'kas Stimme hörte.
Sehr
lange weckte und
weinte Nasten'ka über dem Hellen Falken, doch er schlief tief und
fest, so stark war der Trunk der Gattin. Nur fiel da eine Träne von
Nasten'ka auf die Brust des Hellen Falken und eine andere auf sein
Gesicht. Die eine heiße Träne brannte auf dem Herzen des Falken und
die andere liess seine Augen öffnen, und so erwachte er noch im
gleichen Augenblick.
„Ach“, rief er, „was brennt in mir!“
„Mein
Liebster, Heller
Falke!“, erwiderte ihm Nasten'ka, „Wache für mich auf, ich bin
gekommen! So lange habe ich nach dir gesucht, viel Eisen habe ich
durch Himmel und Erden runtergetragen! Sie sind auf dem Weg nach dir
ganz runter gewetzt, doch ich habe es durchgehalten! Die dritte Nacht
rufe ich schon nach dir, und du schläfst und schläfst! Hörst du
meine Stimme? Ich habe dein Geschenk bewahrt!“ Und sie zeigte ihm
das Schächtelchen, worin die graue Feder lag.
Da erkannte der
Helle Falke seine Nasten'ka, die schöne Maid. Er war so erfreut über
sie, dass er erst kein Wort über die Lippen bringen konnte. Er
drückte Nasten'ka an seine weiße Brust und küsste ihren süssen
Mund.
Als
er dann ganz wach
wurde und sich daran gewöhnte, dass Nasten'ka bei ihm war, sagte er
ihr: „Wärest du jetzt ein graues Täubchen, meine treue schöne
Maid, so würden wir gemeinsam von hier weg fliegen!“
Da
holte Nasten'ka das
mehrfarbige Bändchen, das Geschenk von Tarch Perunowitsch, flocht es
in ihren blonden Zopf ein und wandelte sich sogleich in eine Taube,
und ihr Liebster in den Falken. So flogen sie in den nächtlichen
Himmel hoch hinweg und flogen die ganze Nacht nebeneinander, bis in
die Morgendämmerung.
Als
sie flogen, fragte
Nasten'ka: „Falke, Falke wohin fliegst du, deine Gattin wird dich
doch missen!“
Der Finist Falke
hörte sie und
erwiderte: „Ich fliege mit dir, schöne Maid. Und wer seinen Gatten
gegen Spindel, Teller und Nadel tauscht, solch eine Frau braucht
keinen Gatten, sie wird ohne Kummer bleiben.“
„Und wieso hast
du dann solch eine Frau geheiratet?“, fragte Nasten'ka, „Oder war
es ohne deinen Willen?“
„So war es wohl kaum mein Wille,
sondern der fremdirdische Liebeszaubertrunk, von dem hatte ich jedoch
weder Liebe und noch ein glückliches Los.“ Und sie flogen weiter
nebeneinander.
Und in der
Morgendämmerung setzten sie
sich auf den Boden neben die Himmelskutsche des Tarch Perunowitsch.
Dazhd'bog nahm den Falken und die Taube auf in seine Himmelskutsche
und brachte sie direkt auf die Midagrd-Erde.
Sie flogen über die Heimaterde, in
die heimischen Gefilden und sobald sie an dem altbekannten Wald
angekommen waren, schaute Nasten'ka. Sie sah das Holzhaus ihres
Faters in der Waldsiedelei stehen, ganz so wie es früher war.
Nasten'ka wollte so sehr ihren Fater sehen und wandelte sich im
selben Augenblick in die schöne Maid. Und der Helle Falke landete
auch auf Mutter Erde und wurde wieder eine Feder.
Nasten'ka nahm
die Feder, steckte sie
sich an die Brust und suchte den Fater auf.
„Heil und Wohl
dir, meine jüngste
Tochter, meine Lieblingstochter! Ich dachte schon, du bist vom Wege
in der Swarogwelt gekommen! Danke dir, dass du deinem Fater noch
gedenkst und in die heimische Siedelei heimgekehrt bist. Wo warst du
denn so lange, wieso dauerte es so lange, bis du ins elterliche Heim
wiedergekehrt bist?“
„Verzeihe mir, liebes Fäterchen, ich
musste etwas tun.“
„Na gut, wenn du es musstest, dann ist es
so. Danke, dass du dies jetzt geklärt hast.“
Das alles
geschah am Festtag von
Triglaw
und in der Umgebung war ein großer Jahrmarkt eröffnet. Der Fater
machte sich mal wieder auf den Jahrmarkt auf, und die älteren
Schwestern kamen auch mit, dass sie sich Geschenke suchen konnten.
Der Fater lud
auch die jüngste
Tochter, Nasten'ka, auf die Fahrt ein.
Nasten'ka sagte
ihm jedoch: „Fäterchen,
ich bin von der Reise sehr müde und fehlt mir auch ein Kleid. Auf
dem Jahrmarkt sind wohl alle festlich gekleidet.“
„Ich
werd' dich festlich kleiden, Nasten'ka“, erwiderte Fater, „auf
dem Jahrmarkt gibt es sicher viel Handel.“
Die älteren
Schwestern sagten
Nasten'ka: „Zieh doch unsere Gewänder an, wir haben einige
übrig.“
„Ach, Schwesterchen, ich danke euch!“, erwiderte
Nasten'ka, „Eure Kleider haben eine andere Grösse und ich fühle
mich jetzt daheim am wohlsten.“
„Na dann soll es nach deinem
Willen sein“, sagte der Fater, „Und was soll ich dir vom
Jahrmarkt mitbringen, welches Geschenk? Sag es bitte, es würde
deinen Fater sonst kränken!“
„Ach, Fäterchen,
was brauche ich
schon, habe ja alles! Meine weite Reise hatte einen gewichtigen Grund
und jetzt bin ich von der Reise sehr erschöpft.“
Der Fater fuhr
sodann mit den älteren
Schwestern auf den Jahrmarkt los. Sogleich holte Nasten'ka ihre Feder
hervor. Sie liess sie auf den Boden fallen, und da wandelte sich die
Feder in einen wunderschönen jungen Mann, den Hellen Falken. Nun
ward er noch schöner als davor. Nasten'ka wunderte sich sehr darüber
und brachte vor Glück kaum ein Wort hervor. Dann sagte ihr der
Falke: „Schau mich nicht so wunderlich an, Nasten'ka, durch deine
Liebe bin ich so geworden.“
„Ich wundere
mich zwar“, erwiderte
Nasten'ka, „doch für mich bist du immer der gleiche, ich liebe
dich in all deinen Erscheinungen.“
„Und wo ist dein Fater?“
„Er
ist auf den
Jahrmarkt gefahren und meine älteren Schwestern sind auch mit“.
„Und
wieso bist du hier
geblieben, Nasten'ka?“
„Ich
habe meinen
Liebsten, den Hellen Falken bei mir, was brauche ich vom Jahrmarkt?“
„Und
was brauche ich?“,
fragte der Finist, „Ich bin doch nur von deiner Liebe reich
geworden.“
Der Falke wandte sich von Nasten'ka weg und pfiff ins
Fenster – sogleich kam auf seinen Ruf eine Kutsche mit Gold bemalt,
und die drei weiße Pferde ließen ihre Mähne bis auf den Boden
herunter. Die beiden kleideten sich festlich, stiegen in die Kutsche
ein und die Pferde rannten schnell wie der Wind.
So
kamen sie in die Stadt
auf den Jahrmarkt, der Jahrmarkt wurde soeben geöffnet, all die
reichen Waren und Speisen lagen in Bergen da, und die Menschen waren
noch auf dem Wege dahin.
Der
Falke erwarb auf dem
Jahrmarkt alle Waren, alle Speisen, die dort waren und befahl sie mit
den Wagen in die Waldsiedelei, in Nasten'kas Faters Hof. Nur die
Radsalbe ließ er auf dem Markt stehen. Er wollte, dass das ganze
Folk, welches hier auf den Jahrmarkt kommt, sein Gast auf der
Hochzeit wird und schneller fahren kann. Und für die schnelle Fahrt
brauchen sie alle Radsalben.
Der Helle Falke und Nasten'ka fuhren
in die Waldsiedelei. Sie fuhren schnell, die weißen Pferde rangen
vor Wind nach Luft.
Auf
dem halben Wege
erblickte Nasten'ka ihren Fater und die älteren Schwester. Sie waren
noch auf dem Hinweg und Nasten'ka ließ sie kehrt machen, auf den
heimischen Hof, für die Feier ihrer Hochzeit mit dem Hellen
Falken von Sternbild Finist.
Und
drei Tage später
hatte sich das ganze Folk, welches 100 Werst im Kreis lebte, in der
Waldsiedelei gesammelt. Auch der alte Wolchwe kam in die
Waldsiedelei, er segnete den Ehebund seines Sohnes mit Nasten'ka, und
man feierte eine erstaunliche und reiche Hochzeit. Beim
hochzeitlichen Festmahl tat man die Butter von dem silbernen
Butterdöschen mit dem goldenen Deckelchen, welches die Göttin
Nesretscha geschenkt hatte, ins Essen hinein. Also so ein
schmackhaftes Essen hatte keiner bis jetzt probiert. Vom Mehl, das
die silberne Mühle mit Malachitsteinen gemahlen hatte, backte man
Honigkuchen, also süßer hatte in jenen Landen auch keiner gekostet.
Und wie Nasten'ka das Zitherlein spielte, so ging die ganze Welt
tanzen.
Auf
jener Hochzeit waren
unsere Urgroßfäterchen und Urgroßmütterchen! Lange feierten sie,
rühmten das Brautpaar, vom Frühjahr bis in den Herbst hinein hätten
sie gefeiert, da kam allerdings die Zeit der Ernte, das Korn fiel
herunter. So gingen auch diese Hochzeit und die Gäste wieder
heimwärts. Die Hochzeit ward vorbei und die Erinnerung an das
Festmahl schlief im Folke ein. Das treue liebevolle Herz von
Nasten'ka blieb jedoch für immer in den slawischen Stämmen auf der
heimischen Midgard-Erde in tiefer Erinnerung am Leben.
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